Zusammenfassung
Trainingsworkshop organisiert von arbeit plus und finanziert von der Europäischen Kommission zu sozial verantwortlicher öffentlicher Beschaffung (SRPP). Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfahren, wie nachhaltige und inklusive Beschaffungspraktiken umgesetzt werden können.
Nachbericht: Soziale Vergabe – Workshop in Graz
Der Soziale Vergabe Workshop fand am Donnerstag, den 5. Dezember 2024 in Graz im Rahmen der Trainings- und Sensibilisierungsmaßnahmen für sozial verantwortliche öffentliche Beschaffung der EU-weiten Initiative zur Nutzung der öffentlichen Beschaffung für soziale Ziele statt. Etwa 50 Personen aus ganz Österreich, darunter Beschafferinnen und Beschaffer sowie soziale Unternehmen und Interessierte aus Gemeinden und Städten nahmen an dem ganztägigen Trainingsworkshop teil.
Der Auftakt am Vormittag bildete eine aufschlussreiche Podiumsdiskussion, moderiert von Sabine Rehbichler (arbeit plus) und Philipp Tepper (ICLEI). Experten aus der öffentlichen Beschaffung und der Sozialwirtschaft, darunter Michael Baumgartner (Stadt Graz), Gerhard Weiner (naBe-Plattform) und Christian Kammeringer (WAMS Tirol), diskutierten die Potenziale, Chancen und Hürden der sozialen Vergabe. Deutlich wurde, dass die Zusammenarbeit mit sozialen Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern intensiviert und die Sichtbarkeit von sozialen Unternehmen gestärkt werden muss, um ihre Beteiligung an öffentlichen Aufträgen zu erhöhen. Hierbei fordert Christian Kammeringer, dass öffentliche Aufträge vermehrt nach dem Best-Bieter-Prinzip vergeben werden sollten, um die Chancen einer erfolgreichen Teilnahme von sozialen Unternehmen zu steigern. Daran schließt sich Michael Baumgartner an, der sich einen kulturellen Wandel in der öffentlichen Beschaffung mit Fokus auf Nachhaltigkeit wünscht. Mit der kürzlich unterzeichneten naBe-Partnerschaft der Stadt Graz, nimmt sie eine Vorbildfunktion ein und bekommt das nötige Know-How und Unterstützung in der ökologischen und sozialen Beschaffung. Um die Zusammenarbeit von sozialen Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern zu verstärken, stellte Gerhard Weiner, die von der BBG (Bundesbeschaffung GmbH) erstellte Direktvergabeplattform (DVP) für Soziale Nachhaltigkeit vor. Diese DVP der BBG ermöglicht eine schnelle und einfache Umsetzung kleinerer Aufträge für soziale Betriebe. Dadurch wird ihre Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen erleichtert und gefördert. Darüber hinaus zeigte er das System des naBe-Aktionsplans auf, dass über den Bund hinaus für alle Gebietskörperschaftsebenen und für öffentlichen Unternehmen den naBe-Kriterienkatalog und Wissenstransferangebote zur Verfügung stellt. Als Reaktion auf die Diskussion wurde vor allem auf die Erhebungen in der Steiermark und Erfahrungen aus Strasbourg verwiesen, das soziale Vergabe neben einem klaren politischen Commitment, eine fachliche Unterstützungsstelle von öffentlicher Seite braucht.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurden in mehreren interaktiven Sessions acht (Good) Practice-Beispiele von Vertreterinnen und Vertretern der Sozialwirtschaft präsentiert, die in Kleingruppen diskutiert wurden. Schwierigkeiten und Potenziale wurden im Rahmen des Erfahrungsaustauschs aufgezeigt und gemeinsam Lösungswege entwickelt.
Zu den (Good) Practice-Beispielen zählen:
- Malerarbeiten sowie Hilfsdienste für bedürftige Menschen durch gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt (Bfi Steiermark gGmbH Bildungszentrum Graz Süd)
- Anschauung von eigenen Unifahrrädern als Dienstfahrräder für die Mitarbeiter:innen der Universität (Bicycle – Entwicklungsprojekt Fahrrad – Verein)
- Vergabeverfahren zu Reinigungsdienstleistungen in Kärnten und Steiermark mit Hilfe eines eigenen Loses für Soziale Unternehmen (Hausmasters – Dienstleistungen aller Art)
- Mutmacher:innen – ein Projekt für Kinder der Stadt Graz (Caritas tag.werk, heidenspass & Jugend am Werk Steiermark)
- Einsatz von Sozialen Kriterien und vorbehaltenen Aufträgen in Frankreich (ZfSw – Zentrum für Sozialwirtschaft, Relais 2D)
- Betrieb des Schulbuffets am Beispiel BG/BRG Lichtenfels (SASt – Soziale Arbeit Steiermark)
- Vergabeverfahren „Schulassistenz“ am Beispiel des Vergabeverfahrens der Stadt Kapfenberg (ARGE Bieter:innengemeinschaft Schulassistenz Kapfenberg GesbR, Jugend am Werk, LBK Lebenshilfe Bruck – Kapfenberg, Förderinstitut VINCO)
- Service und Verschub der Stadträder Innsbruck (WAMS)
Nähere Informationen zu den Good Practice-Beispielen finden Sie rechts im Downloadbereich.
Am Nachmittag erfolgte eine Einführung in die Rechtsprechung der sozial verantwortlichen öffentlichen Beschaffung durch den Vergaberechtsexperten Stefan Mathias Ullreich (Finanzprokuratur Österreich). Strategische Ziele des Vergaberechts sowie vergaberechtliche Kriterien wurden besprochen. Zudem wurde dargestellt, wie soziale Kriterien in allen Stadien des Vergabeverfahrens aufgenommen werden können z.B. als Zuschlagskriterium oder in der Leistungsbeschreibung. Weiters wurden wichtige Paragrafen des BVergG 2018 vorgestellt, darunter § 23 BVergG 2018 (Vorbehaltene Aufträge zugunsten sozialer und beruflicher Integration geschützter Werkstätten/integrative Betriebe) und § 110 BVergG 2018 (Möglichkeit, spezifische Vertragsbestimmungen zu sozialen Aspekten aufzunehmen). Außerdem wurde das neue Barrierefreiheitsgesetz (BaFG), das am 28.06.2025 in Kraft tritt, vorgestellt. Dieses Gesetz soll verpflichtende Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen festlegen. Anhand von mehreren Case Studies wurde die rechtlichen Aspekte noch genauer veranschaulicht.
Zwischen den verschiedenen Programmpunkten bot der Workshop auch die Möglichkeit zur aktiven Vernetzung zwischen öffentlichen Behörden und Vertreterinnen und Vertreter der Sozialwirtschaft an, wodurch eine Grundlage für eine zukünftige Zusammenarbeit gefördert werden konnte.
Abschließend wurden die nächsten Schritte und Schlussfolgerungen des Trainingsworkshops mit der gastgebenden Institution mit Wolfgang Wehap (Referent im Büro der Bürgermeisterin der Stadt Graz Elke Kahr), Sabine Rehbichler und Gerd Kronheim (arbeit plus Österreich & Steiermark) sowie Philipp Tepper (ICLEI Europe) diskutiert. Es wird eine stärkere Verbindlichkeit sozialer Kriterien gefordert sowie spezifische Trainings zur sozialen Vergabe. Zudem wurde deutlich, dass es geschicktere Aufträge braucht und die Bereitschaft für eine Zusammenarbeit auf beiden Seiten (öffentliche Auftraggeber und soziale Unternehmen) vorhanden sein muss. Denn das Potenzial der Sozialwirtschaft für die öffentliche Beschaffung ist groß, welches auch genutzt werden sollte.
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