Unsere Mission –
Ihre Initiative
Warum der Ausbau eines nachhaltigen
Beschaffungswesens wichtig ist
Erfahren Sie in welchen Bereichen Nachhaltigkeit im Vergaberecht verankert ist und wie Sie das Vergaberecht für Ihre nachhaltige Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen nutzen können.
Der sekundärrechtliche Vergaberechtsrahmen besteht seit dem Vergaberechtsreformpaket aus dem Jahr 2014 aus fünf Richtlinien, welche die Harmonisierung mitgliedsstaatlicher Rechtsvorschriften ermöglichen sollen. Die Richtlinie 2014/24/EU(„allgemeine Vergaberichtlinie“) beinhaltet Vorgaben für die Vergabe von öffentlichen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen.
Gleichbehandlung/Nichtdiskriminierung
Verhältnismäßigkeit
Transparenz
Freier und lauterer Wettbewerb
Wirtschaftlichkeit
Die beschlossenen Richtlinien haben eine große Relevanz für die nachhaltige öffentliche Beschaffung, da sie in ihren Erwägungsgründen die Zulässigkeit der Berücksichtigung von nachhaltigen Aspekten im Allgemeinen sowie die Anliegen des fairen Handels im Besonderen erwähnen. Um das Ziel der ökologischen Beschaffung voranzutreiben, soll im Rahmen der öffentlichen Beschaffung die Möglichkeit geschaffen werden, alle Phasen im Lebenszyklus eines Produktes von der Beschaffung der Rohstoffe bis zur Entsorgung des Endprodukts berücksichtigen zu können.
Vorgaben hinsichtlich der ökologischen Beschaffung
Das BVergG 2018 enthält in Umsetzung der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU klare Vorgaben, wie öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen die ökologische Beschaffung vorantreiben können. Den zentralen Anknüpfungspunkt bildet § 20 Abs. 5 BVergG 2018, welcher die verpflichtende Bedachtnahme auf ökologische Aspekte („Umweltgerechtheit der Leistung“) als einen der wesentlichen Grundsätze des Gesetzes definiert. Einzelne dieser Aspekte (Energieeffizienz, Materialeffizienz, Abfall- und Emissionsvermeidung, Bodenschutz bzw. Tierschutz) werden exemplarisch erwähnt. § 20 Abs. 5 2. Satz BVergG 2018 definiert jene Phasen des Vergabeverfahrens in welcher die Verwirklichung der ökologischen Beschaffung am Vielversprechendsten ist. Ökologische Aspekte können bei der Beschreibung der Leistung, bei der Festlegung der technischen Spezifikationen, durch die Festlegung konkreter Zuschlagskriterien oder durch die Festlegung von Bedingungen im Leistungsvertrag berücksichtigt werden.
Das Gesetz selbst lässt es dem jeweiligen Auftraggeber offen, in welcher Phase die Berücksichtigung erfolgt. Die Erläuterungen zu § 20 Abs. 5 BVergG 2018 geben jedoch Aufschluss darüber, wie das Ziel der ökologischen Beschaffung am Effektivsten erreicht werden kann. Demzufolge hängt die Verwirklichung einer umweltgerechten Beschaffung in erster Linie an der korrekten Festlegung des Auftragsgegenstandes (insbesondere durch ökologische technische Spezifikationen, Vorschreibung von ökologischen Gütezeichen usw.) ab. Werden bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes ökologische Aspekte nur unzureichend berücksichtigt, so wird dieser Fehler im nachfolgenden Prozess auch durch noch so gute ökologische Zuschlagskriterien oder Ausführungsbedingungen nicht oder kaum mehr korrigiert werden können.
Vorgaben hinsichtlich der Beschaffung von Straßenfahrzeugen
Darauf aufbauend enthält § 94 BVergG 2018 betreffend „Lieferaufträge über die Beschaffung von Straßenfahrzeugen“ konkrete zwingende Vorgaben wie der Grundsatz der Umweltgerechtheit der Leistung gemäß § 20 Abs. 5 BVergG 2018 umzusetzen ist. § 94 Abs. 1 BVergG 2018 normiert, dass der öffentliche Auftraggeber betriebsbedingte Energie- und Umweltauswirkungen (Energieverbrauch, CO2-Emissionen sowie die Emission von Stickstoffoxiden (NOx), Nichtmethan-Kohlenwasserstoffen (NMHC) und Partikeln) während der gesamten Lebensdauer zu berücksichtigen hat.
Energieeffizienz bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Oberschwellenbereich
Weitere Vorgaben finden sich in § 95 BVergG 2018. Gemäß § 95 BVergG 2018 haben die in Anhang III genannten zentralen öffentlichen Auftraggeber (Bundesministerien, AIG GmbH, BBG und BRZ) bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Oberschwellenbereich sicherzustellen, dass die beschafften bzw. die verwendeten Waren den in Anhang XIV genannten Anforderungen an die Energieeffizienz (zB Zugehörigkeit zur höchstmöglichen Energieeffizienzklasse) entsprechen. Jedoch mit der Einschränkung, dass dies mit den in § 20 BVergG 2018 genannten Grundsätzen des Vergabeverfahrens, insbesondere den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbs und der Vergabe zu angemessen Preisen vereinbar ist. Die Erläuterungen führen dazu aus, dass die Anforderungen an die Energieeffizienz daher insbesondere nicht zu einer Einschränkung des Wettbewerbes führen dürfen. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn ein bestimmtes Produkt in der höchsten Energieeffizienzklasse nur von einer geringen Anzahl von Unternehmern oder gar nur von einem bestimmten Unternehmer angeboten wird. Weiters hat die Vergabe nur an geeignete Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen. Die Preisangemessenheit wird insbesondere dann nicht vorliegen, wenn die Mehrkosten der Beschaffung des energieeffizienten Produktes in keinem Verhältnis zu den über den Lebenszyklus gerechneten Energieeinsparungen stehen.
Diese ökologischen generellen Anforderungen sind zu konkretisieren und bei der jeweiligen Ausschreibung anzupassen. Der naBe-Kriterienkatalog in seinen 16 Produktgruppen bieten hierfür genau jene vergaberechtssichere Konkretisierung, die für die Ausschreibungen benötigt werden.
Gemäß § 20 Abs. 6 BVergG 2018 kann in Vergabeverfahren auf die Beschäftigung von Frauen, von Personen im Ausbildungsverhältnis, von Langzeitarbeitslosen, von Menschen mit Behinderung und älteren Arbeitnehmern sowie auf Maßnahmen zur Umsetzung sonstiger sozialpolitischer Belange Bedacht genommen werden. Die Berücksichtigung derartiger Aspekte kann wiederum in den bereits erwähnten Phasen des Vergabeverfahrens erfolgen (bei der Beschreibung der Leistung, bei der Festlegung der technischen Spezifikationen, bei der Festlegung konkreter Zuschlagskriterien oder durch die Festlegung von Bedingungen im Leistungsvertrag).
Hier finden Sie das Rundschreiben des Bundesministeriums für Justiz zu den gesetzlichen Verpflichtungen und Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Aspekte in Vergabeverfahren.
Das BVergG 2018 unterscheidet in § 91 BVergG 2018 zwei verschiedene Zuschlagsmodelle (Billigst- und Bestangebotsprinzip). Der reine Preiswettbewerb (Billigstangebotsprinzip) ist ausnahmsweise zulässig, wenn der Qualitätsstandard der Leistung in der Leistungsbeschreibung so klar und eindeutig in technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht festgelegt wurde, dass die Einreichung vergleichbarer Angebote auf einem definierten (Qualitäts-)Niveau gewährleistet ist.
Sofern der Qualitätsstandard nicht klar und eindeutig definiert wird oder gemäß § 91 Abs. 5 BVergG 2018 die gesetzliche Verpflichtung besteht, ist der Zuschlag dem technisch- und wirtschaftlich günstigsten Angebot (Bestangebotsprinzip) zu erteilen. Das Bestangebotsprinzip umfasst seinerseits zwei Modelle: einerseits die „niedrigsten Kosten“ und andererseits das „beste Preis-Leistungs-Verhältnis“. In diesen Fällen sind Ausschreibungen, die neben der Bewertung des Preises keine weiteren Zuschlagskriterien oder nur den Preis als Zuschlagskriterium beinhalten, rechtswidrig und bekämpfbar. Darüber hinaus sind Ausschreibungen auch dann bekämpfbar, die formal zwar mehrere Zuschlagskriterien („Feigenblattkriterien“) beinhalten, de facto aber allein der Preis ausschlaggebend ist.
In § 91 Abs. 6 BVergG 2018 wird ein „neues“ Qualitätssicherungsmodell verankert. Auftraggebern wird darin die Möglichkeit eröffnet, die verpflichtend in das Vergabeverfahren einzubeziehenden Qualitätskriterien nicht nur in dem komplexen und anfechtungsgefährdeten Bereich der Zuschlagskriterien festzulegen, sondern (wahlweise) in zumindest einer der nachfolgend genannten Phasen des Vergabeverfahren zu berücksichtigen: Beschreibung der Leistung, Festlegung der technischen Spezifikation, Festlegung der Eignungskriterien, Festlegung der Zuschlagskriterien oder bei der Festlegung der Bedingungen für die Ausführung des Auftrages. Der Auftraggeber wird dabei verpflichtet, qualitätsbezogene Aspekte im Sinne des § 20 BVergG 2018 festzulegen. Dabei handelt es sich um ökologische, innovative oder soziale Kriterien. Es steht dem Auftraggeber jedoch frei, welche qualitätsbezogene Aspekte (sozial, ökologisch oder innovativ) er wählt, wobei dies auch vom jeweiligen Leistungsgegenstand abhängen wird. Ausschreibungen im Anwendungsbereich des § 91 Abs. 6 BVergG 2018 (z.B. Beschaffung von Lebensmitteln, Gebäudereinigungs- und Bewachungsdienstleistungen), die keine qualitätsbezogenen Aspekte beinhalten, sind rechtswidrig und bekämpfbar.
Die effektive Umsetzung ökologischer Aspekte in Vergabeverfahren ist somit unabhängig des gewählten Zuschlagsmodells möglich. Dies vor allem aufgrund der bereits erwähnten Erläuterungen zu § 20 Abs 5. BVergG 2018 wonach die unzureichende Berücksichtigung von ökologischen Aspekten bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes, im nachfolgenden Prozess auch durch noch so gute ökologische Zuschlagskriterien oder Ausführungsbedingungen nicht oder kaum mehr korrigiert werden kann.