Leitfaden: Digitale Barrierefreiheit für ein inklusives Vergabewesen
Im Zuge der Erstellung und Ausrollung des Leitfadens „Digitale Barrierefreiheit für ein inklusives Vergabewesen“, erstellt unter Federführung des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Rahmen der interministeriellen Arbeitsgruppe – Barrierefreie Informations- und Kommunikationstechnologie (AG-BIKT), kann auch die naBe-Plattform des Österreichischen Aktionsplans für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung einen wichtigen, inklusiven Beitrag durch die sozial-nachhaltige Beschaffung leisten. Denn: Neben umweltbezogenen und sozialen Kriterien umfasst nachhaltige Beschaffung auch Anforderungen, um den Zugang zu Informationen, Medien, Produkten, Dienstleistungen und sonstigen Inhalten für möglichst viele Personen unabhängig von einer Behinderung über einen möglichst langen Zeitraum – d.h. während der gesamten Produktlebensdauer – sicherzustellen.
Der Leitfaden dient zur Wissensgenerierung und zum Wissenstransfer im Hinblick auf die digitale Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Außerdem soll er zur Problemsensibilisierung und Verankerung der Barrierefreiheit sowie des „Disability Mainstreaming“-Ansatzes in der Unternehmenskultur beitragen.
Der Disability-Mainstreaming-Ansatz sieht vor, dass die Perspektive von Menschen mit diversen Arten von Behinderungen bei allen Entscheidungen und Prozessen in der Gesellschaft berücksichtigt und miteinbezogen wird. Disability Mainstreaming ist analog zu Gender Mainstreaming ein Auftrag an die Spitze einer Verwaltung, einer Organisation oder eines Unternehmens, die unterschiedlichen Interessen und Lebenssituationen von Menschen mit und ohne Behinderungen in allen Bereichen von Anfang an zu berücksichtigen.
Der Leitfaden „Digitale Barrierefreiheit für ein inklusives Vergabewesen“
Der Leitfaden richtet sich einerseits an die vergebenden Stellen bzw. öffentliche Beschaffenden und andererseits an die für die zu vergebenden Leistungen fachlich und inhaltlich verantwortlichen Personen. Er behandelt die Barrierefreiheitsanforderungen für digital nutzbare Produkte und Dienstleistungen. Dadurch werden die Voraussetzungen für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in allen Aspekten einer modernen digitalisierten Gesellschaft einschließlich Bildung und Beschäftigung geschaffen. Um die Inklusion in allen digitalen Lebensbereichen zu erreichen, gilt es, bereits bei der Konzeption und in allen Stadien des Vergabeprozesses sowie bei der Abnahme der erbrachten Leistung Barrierefreiheit standardmäßig zu berücksichtigen.
In Österreich ist rund ein Fünftel der gesamten Bevölkerung von körperlichen, kognitiven oder sonstigen Behinderungen oder Beeinträchtigungen betroffen. Viele davon sind nicht direkt sichtbar und werden daher als solche nicht wahrgenommen, was sich nicht selten auf eine fehlgeleitete Entscheidungsfindung zur Berücksichtigung von Barrierefreiheit auswirkt. Schließt man Personen mit Einschränkungen auf Grund ihres Alters mit ein, ist die Zahl der betroffenen Personen noch deutlich höher.
Etwa 75 % aller Behinderungen entstehen im erwerbsfähigen Alter. Dies bedeutet, dass Menschen, die vorher keine Behinderung hatten, im Laufe ihres Berufslebens eine Behinderung erlangen. Dadurch können sie die informations- und kommunikationstechnologischen Produkte und Dienstleistungen, die nicht barrierefrei sind, mit denen sie aber bisher gearbeitet haben, nicht mehr wie gewohnt nutzen.
Die Berücksichtigung von Barrierefreiheit konzentriert sich daher nicht nur auf die Vermeidung und den Abbau von Barrieren für bestimmte Personengruppen, sondern gilt als ein allgemein gültiges Qualitätskriterium und bietet allen Menschen mit und ohne Behinderungen einen universellen Zugang.
Im Leitfaden finden Sie praxisnahe Informationen, Begriffsbestimmungen, Erklärungen zur Umsetzung des inklusiven Vergabe- und Vertragswesens sowie technische und rechtliche Grundlagen. Des Weiteren wird darin die Entstehung von typischen Barrieren und ihre Vermeidung/Verhinderung erläutert sowie die Grundlagen der assistierenden Techniken vorgestellt. Neben wichtigen Beispielen werden auch exemplarische Textbausteine zur Gestaltung von Vertrags- und sonstigen Ausschreibungsunterlagen sowie Abwicklung von Vergabeverfahren auf eine barrierefreie Weise thematisiert. Die fix und fertig operativ einsetzbaren Vertragsbeilagen A bis F enthalten Informationen und Festlegungen zur Barrierefreiheit von Schriftwerken wie etwa Publikationen und Dokumenten, von Webseiten und web-basierten Anwendungen, von Desktop-Anwendungen und nicht web-basierten Anwendungen, von mobilen Apps für Smartphones und Tablets und definieren auch Mindestanforderungen an Gebärdensprachvideos bzw. Gebärdensprachübersetzungsvideos, an den Gebärdensprach-Dolmetsch bei live Events und an Übersetzungen in leicht verständlicher Sprache.
Den gesamten Leitfaden samt Vertragsbeilagen A-F finden Sie rechts unter „Downloads„.
naBe-Webinar: Digitale Barrierefreiheit für ein inklusives Vergabewesen
Am 28. April 2022 fand ein zweistündiges naBe-Webinar in Kooperation mit dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zum Leitfaden „Digitale Barrierefreiheit für ein inklusives Vergabewesen“ statt. Im Vordergrund stand die Sensibilisierung und die Einleitung in das Thema digitale Barrierefreiheit im Rahmen der Leitfadenvorstellung einschließlich der Vertragsbeilagen A bis F sowie die Fragenbeantwortung.
Fr. Nina Braun von der ÖBB Infra und die naBe-Plattform konnten ihre Erfahrungen mit der Web Accessibility Certificate Austria Zertifizierung teilen und die Bundesbeschaffung GmbH stellte ihre aktuellen Lösungen in dem Bereich vor.
Die Folien zur Nachlese finden Sie rechts.
Weiterführende Links
Downloads
- Leitfaden Digitale Barrierefreiheit für ein inklusives Vergabewesen
- Vertragsbeilage A: Barrierefreie Publikationen
- Vertragsbeilage B: Barrierefreie Websites und web-basierte Anwendungen
- Vertragsbeilage C: Desktop Anwendungen und nicht web-basierte Anwendungen mit UI
- Vertragsbeilage D1: ÖGS-Videos
- Vertragsbeilage D2: ÖGS Dolmetsch Live
- Vertragsbeilage E: Leicht verständliche Sprache
- Vertragsbeilage F: Mobile Apps
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